Ernst Zacharias, genialer Tüftler und Erfinder, mit 96 Jahren gestorben

Wie erst in den letzten Tagen bekannt wurde, starb bereits am 6. Juli hochbetagt der Ingenieur und Entwickler Ernst Zacharias.  Er war Jahrzehnte lang für die Firma Hohner tätig und weit über die Grenzen Trossingens hinaus bekannt.

In der Entwicklung von elektronischen und elektromechanischen Musikinstrumenten – einst eine Stärke der Hohner AG – spielte Zacharias eine herausragende Rolle. Seine wichtigste und kommerziell erfolgreichste Erfindung war in den 1960er Jahren das Clavinet D 6, mit seinem unverwechselbaren Sound von vielen Weltstars gespielt; heute noch zum Beispiel von Stevie Wonder!

Im Trossinger  Jahrbuch 2009 würdigte Journalist Alfred Thiele das Schaffen von Ernst Zacharias unter der Überschrift „Einer der kreativsten Köpfe bei Hohner“. Damals bekannte der 35 Jahre in der „Firma“ tätige Ingenieur: „Die Arbeit hat mich vollkommen erfüllt und hat mir große Freude bereitet. Schon am Sonntag habe ich mich darauf gefreut, am Montag wieder in die Fabrik zu gehen, um weiter forschen und tüfteln zu können.“

Der von Technik und Musik begeisterte Zacharias wurde von manchen der „Daniel Düsentrieb“ der Firma Hohner genannt, was durchaus respektvoll gemeint war.

Der Weg zum genialen Erfinder war jedoch nicht einfach. Nach Volks- und Mittelschulzeit in seiner Heimat Neumünster (Schleswig Holstein) wurde der junge Mann, geboren am 21. Juni 1924, natürlich noch zum Kriegsdienst einberufen. Diesen überstand er als Flak-Helfer bei der Luftwaffe unbeschadet.

Von 1947 bis 1951konnte er seine Ausbildung zum Akustiker fortsetzen und besuchte die staatliche Ingenieurschule in Kiel. Seine erste Berufsstation bei der Deutschen Bundespost nutzte er in den frühen 1950ern, um die Technische Prüfung als Fernmelde-Ingenieur abzulegen.

Beamter bei der Post, das behagte dem aufstrebenden jungen Ernst Zacharias nicht. Damals, 1953/54, gab es schon erste Kontakte mit und freies Mitarbeiten in der Matth. Hohner AG. Sein endgültiges Überwechseln nach Trossingen ist mit einer Anekdote verknüpft, wie der heute noch in der Musikstadt lebende Sohn Volker Zacharias erzählt:

Nach einer Phase freier Mitarbeit bei Hohner habe sich der Vater beim damaligen Chefentwickler, Ingenieur Dr. Paul Dorner, verabschiedet. Er fahre jetzt zurück zu Frau und Kind nach Schleswig Holstein, um wieder zu kommen fehle ihm das Geld.

Darauf habe Dr. Dorner 100 D-Mark aus der Tasche gezogen und ihm mit den Worten gegeben: „Sie kommen aber auch wirklich wieder.“

So geschah es. Die junge Familie Zacharias zog ihm Herbst 1954 nach Trossingen. Ehefrau Ruth und Töchterchen Karen hatten den Wechsel vom hohen Norden auf die Baar zu vollziehen. Die weiteren Kinder Martina, Volker und Anja wurden dann in Trossingen geboren.

Der Mensch Ernst Zacharias

Über die zum Teil bahnbrechenden Erfindungen und Weiterentwicklungen des Hohner-Ingenieurs – vom Pianet bis zur Claviola – soll im kommenden Trossinger Jahrbuch berichtet werden. – Seine Arbeit brachte ihn übrigens den Kontakt mit Weltstars wie dem Pianisten Friedrich Gulda, der partout das Clavinet-Exemplar aus Zacharias‘ Labor wollte und natürlich auch erhielt.

An dieser Stelle soll noch ein Charakterbild des Menschen und langjährigen Trossinger Mitbürgers Ernst Zacharias skizziert werden. „Career minded“, also zur Karriere entschlossen, war er nicht, eher ein Idealist. Deshalb lehnte er bei Hohner die angebotene Stelle als Abteilungsleiter ab. Er wollte lieber am Zeichenbrett und in seinem Labor bleiben. „Er war immer mit seinen Ideen beschäftigt“ meint Sohn Volker. Über seine Festanstellung von 1954 bis 1989 hinaus, arbeitete Zacharias als rüstiger Rentner, als „Freier“ Anfang / Mitte der 1990er Jahre nochmals für Hohner.

Bekannt und beliebt war der umgängliche Mensch auch im Privatleben. Zusammen mit seiner Ehefrau sang er lange Jahre in der Kantorei. Sein gutes Klavierspiel hatte er sich selbst beigebracht. Er liebte die Musik, insbesondere das Werk Johann-Sebastian Bachs, konnte sich aber auch für Jazz und Swing begeistern.

Spaßhaft meinte Ernst Zacharias, auch was die Unterbringung seiner Familie betraf, sei er in Trossingen steil aufgestiegen, von der Einfachwohnung in der Löhrstraße – auf dem Gelände des Hohner-Sägewerks – zur Monatsmiete von 25 Mark bis zum schönen Wohnen in der „Pförtnervilla“ des Hohner Werk II im Tal 19.

Schicksalsschläge blieben auch Zacharias nicht erspart. Töchterchen Martina starb im Kleinkindalter an Leukämie. Seine Frau erkrankte im Alter und musste von ihm bis zu deren Tod 2010 betreut werden.

Zu den Charaktermerkmalen des hoch gebildeten Menschen Ernst Zacharias gehörte auch der Humor. Das belegen Anekdoten aus seiner Zeit bei Hohner. Deren Wiedergabe bleibt dem kommenden Trossinger Jahrbuch vorbehalten.

Das Lebenswerk des Erfinders Ernst Zacharias bleibt der Nachwelt sicher erhalten. Das eine oder andere von ihm entwickelte Musikinstrument ist im Deutsche Harmonikamuseum ausgestellt, natürlich auch ein spielbereites Clavinet D 6.

Die ganze Bandbreite seines Schaffens präsentiert ein Spezialmuseum n Klagenfurt/Österreich: Das dortige „Eboardmuseum“ zeigt alle wesentlichen Erfindungen des Meister-Entwicklers.

Ernst Zacharias ist kurz nach seinem 96. Lebensjahr friedlich eingeschlafen. Sein guter Ruf und sein Werk werden bleiben.

Tipp: Wer den „funky Sound“ der Zacharias-Erfindung Clavinet erfahren möchte, höre den Stevie Wonder-Welthit „Superstition“ an.